Wie im letzten, doch eher theoretisch gehaltenen Beitrag (über Kreativität und die Gefahren der sogenannten „künstlichen Intelligenz“) versprochen, geht es heute mal wieder um Film. Und zwar nicht nur um eigene wie „Starfood“, sondern auch um Filme im Allgemeinen. Während der letzten Tage besuchte ich mit meiner Frau Pia das Taunus Filmfest in Oberursel, das vom letzten Donnerstag (7.8.2025) bis Sonntag (10.8.2025) vor 2000 Besuchern zahlreiche Filme in verschiedenen Locations zeigte.
Wie üblich bei (den guten) Filmfestivals gab es auch jede Menge Möglichkeiten zum Austausch zwischen uns Kollegen und man lernte nicht nur die Filme der anderen Filmemacher kennen, sondern auch die Teams selbst. Außerdem kamen wir in den Genuss, meinen Film „Starfood – Sushi im Weltall“ endlich mal auf der großen Leinwand zu erleben.
„Starfood – Sushi im Weltall“
Zur Erinnerung: „Starfood“ ist ein Kurzfilm, den ich im Auftrag des Jungen Schauspiels in Düsseldorf im Rahmen des internationalen Projekts 10children.org mit Schülerinnen des Marie-Curie-Gymnasiums in Düsseldorf gedreht habe. Das Projekt, in dessen Rahmen auch das Theaterstück „Das Pommes Paradies“ von Regisseurin Liesbeth Coltof und Autor Akın Emanuel Şipal und der Dokumentarfilm „Stiller Hunger“ von Eren Önsöz entstanden sind, behandelt die Zusammenhängen von Kinderarmut und Nahrung auch in (angeblich) reichen Städten wie Düsseldorf.

Seltene Perlen
Natürlich hat man auf einem Filmfestival nie die Chance, alle Filme zu erleben, da viele Veranstaltungen, Workshops und Filmvorführungen parallel laufen, aber wir haben einige wirklich beeindruckende Werke gesehen wie z.B. das berührende Drama „The Winter Within“ von Aamir Bashir, der vom Leid der durch die bewaffneten Milizen unterdrückten Bevölkerung in Kashmir handelt. Ebenso wie der Vorgängerfilm von Bashir hat dieser wegen seiner vor allem in Indien politisch brisanten Thematik kaum eine Chance, dort einen Verleih zu finden und daher wird der normale Filmfan oder gar deutsche Fernsehzuschauer ein solches, in beeindruckenden Bildern festgehaltenes Werk wahrscheinlich niemals zu Gesicht bekommen.

Der Gewinner des Kurzfilmpreises war ein älterer Herr, der sich die meiste Zeit recht unauffällig am Rande der Menge (siehe Foto) bewegte, aber dessen Film uns alle in seinen Bann geschlagen hat. Rolf Broennimann, ein Zeichentrickkünstler der alten Schule, lieferte mit „Dieter“ einen sehr persönlichen Animationsfilm über seinen mit nur 50 Jahren an Demenz erkrankten Bruder ab. Der Film überzeugte nicht nur handwerklich, sondern dürfte allen Zuschauern beim Open-Air-Kurzfilmabend die Tränen in die Augen getrieben haben. Zumindest mir ging es so.
Mit „Starfood“, der in der Sektion „Filme für Kinder“ im Saal 4 des Kinopolis in Bad Homburg lief, waren wir dankenswerterweise für den „Best Food Film“ nominiert, einer von insgesamt vier Kategorien beim Festival. Und es gab nur einen einzigen Konkurrenten: den Kurzfilm „Channel Bibi“ des amerikanischen Filmemachers Rajan Gill, der von einer indischen Familie in den USA handelt, die in drei Generationen die verschiedenen Stufen von Integration illustriert. Und zwar anhand der traditionellen Gerichte der Großmutter, die von ihrer Enkelin zum Social-Media-Star gemacht wird. Als wir den Film sahen, wussten wir sofort, dass wir kaum eine Chance hatten und „Channel Bibi“ hat zurecht den Preis für den „Best Food Film“ erhalten.

Breites Spektrum
Natürlich gab es auch bekanntere Filme, die ihr Publikum leichter erreichen. Der Eröffnungsfilm „Was uns verbindet“ der französischen Regisseurin Carine Tardieu, feierte gleichzeitig mit der Eröffnungsgala seinen deutschen Kinostart und auch der Gewinnerfilm für „Best Integration Film“, die sensible Dokumentation „Im Osten was Neues“ der Regisseurin Loraine Blumenthal, der bereits einen festen Sendetermin im ZDF (Kleines Fernsehspiel) hat, hat natürlich nicht zuletzt wegen seiner Thematik kaum Probleme, deutsche Kritiker und Zuschauer zu erreichen und auch zu überzeugen.
Ich kenne einige Menschen, denen ich diesen Dokumentarfilm über einen Ex-Nazi in Mecklenburg-Vorpommern, der seinen alkoholisierten rechtsextremen Sümpfen entkommen ist und nun als Fußballtrainer für Flüchtlinge arbeitet, gerne mal zeigen würde. Nicht nur „Eichi“, der Protagonist, der mit dem Gewissen über seine gewalttätige Vergangenheit hadert, steht im Fokus des Films, sondern auch einige einer Schützlinge, die im rassistischen deutschen Asylsystem in der ständigen Angst vor der möglichen Deportation leben. Wer den Film sehen möchte, bekommt ab dem 18.9.2025 seine Chance. Da feiert er laut Webseite seinen Kinostart.

Neben solchen, vorsichtig formuliert, mainstreamigeren Filmen, liefern Filmfestivals jedenfalls die Chance, Filme zu sehen, die völlig abseits der gewohnten Pfade existieren. Wer gewohnheitsmäßig ins Kino geht oder sich von den handelsüblichen Streaming-Anbietern einlullen lässt, bekommt nichts mit von diesen Werken, die im Allgemeinen mit wahnsinnig viel Herzblut und großer Aufopferung hergestellt werden.
Filmemacher, Schauspieler, Künstler: vernetzt Euch!
Der wichtigste und beste Grund für uns, die wir vor allem im Independent-Bereich für eine lebendige Filmkultur arbeiten, schwitzen, bluten, schreiben und leben, ein Filmfestival zu besuchen ist jedoch der bereits erwähnte: Man lernt andere Menschen kennen. Kollegen, die auf parallelen Pfaden wandern, mit den oftmals gleichen Schwierigkeiten konfrontiert sind, kreative Lösungen finden müssen und immer und überall Feedback, Kritik, Anerkennung und Bestätigung brauchen. Und ein gutes Festival schafft diese Möglichkeiten, wenn man die Kosten und die Mühe für die Anreise auf sich nimmt.
Als wir für „A Living Dog“ unterwegs waren, habe ich erst beim hervorragenden Snowdance Independent Filmfestival, damals noch in Landsberg am Lech, gemerkt, wie wertvoll diese Kontakte sein können. Beim Snowdance 2024 in Essen habe ich zum Beispiel die Filmemacherin und Schauspielerin Mersiha Husagic kennengelernt, die mit ihrem genialen Film „Cherry Juice“ eine fast identische Produktionsgeschichte durchgemacht hat wie wir mit „A Living Dog“. Crowdfunding, Budget, Teamgröße, Drehdauer, Postproduktionsdauer, alles war fast exakt dasselbe. Im Kino bei „Cherry Juice“ saß ich neben Hannes Jaenicke, der nur kopfschüttelnd bezweifelte, dass man mit so wenig Geld einen richtigen Spielfilm drehen könne. Ich konnte nur schmunzeln, weil ich ja wusste, dass das die Summen sind, mit denen wir Indie-Filmemacher konstant arbeiten müssen.

Beim diesjährigen Snowdance lernte ich Jurij Neumann kennen, der seinen Film „Kartenhaus“ vorstellte und letzte Woche haben wir uns auf dem Taunus Filmfest wieder getroffen. Er grämte sich, weil die Postproduktionszeit für seinen Film so viele Jahre gedauert hatte und ich war gleichzeitig beruhigt, weil auch „A Living Dog“ vier Jahre gebraucht hatte und auch der Dreh von „Shadow Road“ liegt mittlerweile drei Jahre zurück und ich arbeite noch immer daran. Solche Erfahrungswerte miteinander teilen, kann enorm wertvoll sein und einem immer mal wieder ins Gedächtnis rufen, dass man nicht allein ist mit diesen Problemen.
Ihr wisst: Wir müssen uns der kapitalistischen Marktlogik nicht unterwerfen, da wir vom Markt ja ohnehin so gut wie ausgeschlossen sind.
Wir sind keine Konkurrenten.
Wir sind Kollegen.
