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Dokumente des Grauens

Posted on 13. Juni 202524. Juni 2025 by Daniel Raboldt

Der Film „Nacht und Nebel“ von Regisseur Alain Resnais („Hiroshima Mon Amour“, „Auch Statuen sterben“) war der erste Dokumentarfilm, der im Jahr 1956 eine breite Bevölkerung mit den Verbrechen des Nationalsozialismus konfrontierte. Entstanden durch die unermüdliche Archivarbeit der französischen Historikerin Olga Wormser und vieler anderer gelang den Machern damals ein Werk, das nicht die Überwältigung suchte, sondern neben den schockierenden Aufnahmen aus den Konzentrationslagern auch anstrebte, das mörderische faschistische System zu beleuchten und zu analysieren, das dazu geführt hatte.

Entgegen dem ursprünglichen Plan, einen traditionellen, die Fakten aufzählenden Dokumentarfilm zu machen, wählte der künstlerisch ambitionierte und rebellische junge Regisseur Resnais einen anderen Weg. Er wusste, dass ein einfaches Aneinanderreihen von Zahlen und Daten und Bildern die Zuschauer entweder komplett überfordern oder – was noch viel schlimmer gewesen wäre – der gleichen kalten bürokratischen Logik folgen würde, wie die Verbrecher, die er bloßstellen wollte.

Mit dem Voice Over des ehemals von den Nazis deportierten Schriftstellers und Lyrikers Jean Cayrol (behutsam und eindrucksvoll ins Deutsche übertragen durch Paul Celan) und der kontraintuitiven und kontroversen Musik von Schönberg-Schüler Hanns Eisler produzierte er einen Film, der bis heute nichts von seiner Wirkung verloren hat, wenn er auch leider ein wenig in Vergessenheit geraten ist.

Damals führte er bei Erscheinen nicht nur zum Einschreiten der französischen Zensur, die das Bild eines mit den Nazis kollaborierenden Gendarms entfernt sehen wollte, sondern auch wegen des Eingreifens des deutschen Botschafters zu einem diplomatischen Skandal. Die deutsche Regierung verlangte, dass „Nuit et Bruillard“ (so der Originaltitel) still und heimlich aus dem Programm des Cannes Filmfestivals entfernt werden sollte und der französische Informationsminister kam dem nach. Es bedurfte der internationalen Proteste, unter anderem durch Schriftsteller wie Heinrich Böll und Wolfgang Hildesheimer, um den Film dann doch noch außer Konkurrenz in Cannes zeigen zu können.

Am letzten Mittwoch habe ich auf Schloss Moyland (Bedburg-Hau) einen Vortrag über die Entstehungsgeschichte des Films, seinen besonderen künstlerischen Anspruch und auch die darum entstandenen Kontroversen führen dürfen. Im anschließenden Publikumsgespräch, das zum Teil sehr emotional geführt wurde, wurde uns allen noch einmal bewusst, wie aktuell der Film bleibt. Alain Resnais und Jean Cayrol betonten bewusst die Universalität des Grauens und sprachen an alle nachkommenden Generationen, also auch an uns, eine deutliche Mahnung aus.

Der Film endet zu den Bildern der Ruine eines Konzentrationslagers, größtenteils begraben unter Gras und kaum zu erkennen, mit folgenden Zeilen:

„Und es gibt uns, die wir beim Anblick dieser Trümmer aufrichtig glauben,
der Rassenwahn sei für immer darunter begraben,
uns, die wir tun, als schöpften wir neue Hoffnung,als glaubten wir wirklich, dass all das nur
einer Zeit und nur einem Land angehört,
uns, die wir vorbeisehen an den Dingen neben uns
und nicht hören, dass der Schrei nicht verstummt.“(Text / Übersetzung von Paul Celan)

Die aktuelle Situation

Wir sehen aktuell, wie die Vereinigten Staaten, die erste moderne Demokratie in einer faschistoiden Diktatur versinken. Rechtspopulistische Personen wie Georgia Meloni gratulieren Trump ganz offen zu seinem brutalen Vorgehen. Wir haben in Deutschland eine rechtsextreme Partei, die mehr und mehr Fanatiker und Menschenfeinde für sich zu begeistern vermag, einen CDU-Kulturstaatsminister, der von rechten Signalphrasen wie „Familie, Heimat, Nation, Geschichte, Kulturkreis, Ordnung, Eigentum, Tugend und Religion“ (Zitat aus seinem ekelerregenden „Konservativen Manifest“, das ich hier nicht verlinken möchte) träumt, während die Kultur, die ihm angeblich so wichtig ist, gerade finanziell von seinen Parteigenossen zertrümmert wird. Wir haben einen Blackrock-Kanzler, der sich bestens mit Trump versteht und einen Innenminister, für den Gerichtsbeschlüsse zur Migration nur freundliche Anregungen darstellen, die man getrost ignorieren kann.

Es ist – um noch einmal kurz daran zu erinnern – das oberste Prinzip eines Rechtsstaats, dass das Recht nicht nur für die Bürger sondern gerade auch für den Staat und seine Vertreter gelten. Hier wird also nicht nur ein einzelnes Urteil ignoriert sondern das wichtigste rechtsstaatliche Prinzip überhaupt ausgehöhlt.

Ein Meisterwerk wie „Nacht und Nebel“ ist kein historisches Dokument. Es tut das, was Kunst tun sollte, nämlich über einen konkreten Moment und das spezifische Individuum hinaus verweisen. „Das Bild wird Kunst, wenn es uns einen Blick auferlegt, an den wir uns nicht gewöhnen“, schrieb Jean Cayrol einst (zitiert nach dem fantastischen Buch „Nacht und Nebel – Ein Film in der Geschichte“ von Sylvie Lindeperg). Der Film ist eine Warnung, eine Analyse und er stellt uns vor eine Aufgabe.

Unsere Aufgabe

Die Grauen des Nationalsozialismus mögen – für manche – lange her sein, die meisten Zeitzeugen sind nicht mehr am Leben und über die Massengräber und Mordstätten ist Gras gewachsen. Aber das Kleben an der Macht, der Hang vermeintlich Schwächere zu drangsalieren, sie zu internieren, deportieren, verhöhnen und – letzten Endes – zu ermorden, ist eine Krankheit, die wieder und wieder auftreten und im schlimmsten Fall zur Epidemie werden kann. Wir sehen diese Krankheit aktuell (in sozialen Medien) unter den maskierten Masken der Beamten, die wehrlose Menschen aus ihren Häusern ziehen, sie auf der Arbeit, auf der Straße, im Supermarkt zu Boden drücken, weil sie die falsche Hautfarbe haben, sie durch die Innenstädte jagen, weil sie einem barbarischen Identitätswahn nicht zugehören wollen oder können.

Auch in den zynischen, kalten Gesichtern von Politikern, die von „Remigration“ und völkerrechtswidrigen „Grenzschließungen“ sprechen, die nach „Meinungsfreiheit“ schreien, aber stets als erstes gegen Publizisten, Journalisten, Universitäten und Künstler vorgehen, ist sie erkennbar. Und sie findet sich in den Gesichtern derjenigen, die sich wegdrehen, die mit den Schultern zucken und den Barbecue-Grill anschmeißen, während Deutschland Waffen in Kriegsgebiete schickt und die Dividenden steigen. 

Es ist unsere Aufgabe und es bleibt unsere Aufgabe, uns dem entgegenzustellen. Alle Freiheiten, die wir haben (wenn wir denn welche haben) wurden immer GEGEN Staat und Kirche erstritten. Wir sollten uns nicht auf ausgerechnet diese beiden Akteure verlassen, wenn wir wollen, dass alles irgendwie gut wird. Die Macht ist immer nur auf ihrer eigenen Seite.

Solidarität engagiert sich für den Anderen. Es muss nicht mein „Nächster“ sein.

 
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